by Maike Binder
Der Wunsch nach Gleichheit
Die Wahrnehmung von Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft wie der sozialen Ungerechtigkeit, Rassismus, Geschlechterungleichbehandlung oder der Unterdrückung von Gruppierungen führt dazu, dass der Wunsch nach Gerechtigkeit entsteht und mit einem Streben nach Gleichbehandlung verbunden wird. In der Inklusionsdebatte ist oft ein Aufheben der Kategorie „Behinderung“ das Ziel. Im Sinne einer ausnahmslosen „Ein-Gruppen-Theorie“ stellt Behinderung nur eine mögliche Heterogenitätsdimension dar.
Führen Gleichbehandlung und das Aufheben von Kategorien zu einer gerechteren Welt? Was würde passieren, wenn alle Menschen gleichbehandelt werden? Außerdem: Haben wir als Menschen ein Recht auf gleiche Bedingungen auf finanzieller, bildungspolitischer und gesundheitlicher Ebene?
Die Bibel bezeichnet Gott als vollkommen gerecht. Wenn das so ist, wie sieht dann eine Gerechtigkeit auf der Erde aus biblischer Perspektive und nach Gottes Sicht aus und wie können wir diese leben?
Ursprüngliche Unterschiedlichkeit
Zunächst lässt sich feststellen, dass Gott die Welt mit dem ersten Menschenpaar Adam und Eva als „sehr gut“ geschaffen hat. Von Gleichheit kann hier jedoch in Bezug auf das Verhältnis Mensch – Gott und Mensch – Mensch nicht die Rede sein. Als Ebenbild Gottes sind die Menschen Seine Repräsentanten auf der Erde und können über sie herrschen, sie sind Gott jedoch nicht gleich. Auch als Mann und Frau sind sie auf verschiedene Weise geschaffen.
Gott gleich werden …
Die Schlange verleitet Eva von der Frucht des Baumes zu essen, bei dem Gott als einzigen Baum ein Verbot ausgesprochen hatte. Der Reiz besteht in der Behauptung, dass die Menschen nach dem Essen der Frucht Gott gleich sein würden.
Ungleichheit auf Grund von Schuld
Dem Menschen wurden durch den Verzehr zwar die Augen für das Gute und Böse geöffnet, dies führt aber nur dazu, dass der Mensch seine Schuld erkannte und sich schämte. Die Konsequenzen der Tat sind bis heute Schmerzen, Mühe, der Geschlechterkampf sowie Krankheit und der Tod. Insofern sind Ungerechtigkeiten und Ungleichheit auch auf die Schuld des Menschen zurückzuführen.
Entstehende Einheit und bleibende Unterschiedlichkeit
Jesus Christus als menschgewordener Gott wirkte in seiner Zeit auf der Erde durch Seine Verkündigung und auch in Seinem Handeln durch Wundertaten und Heilungen eine totale Umkehrung irdischer Verhältnisse, beseitigte Ungerechtigkeiten und stellte Gemeinschaft wieder her. Vor allem aber durch Sein Sterben am Kreuz stellte er das Verhältnis zu Gott wieder her, indem er die Schuld des Menschen auf sich nahm. Er ermöglichte damit eine Einheit mit sich selbst und der Menschen untereinander. Aber auch nach seinem Tod und seiner Auferstehung bleibt eine Ungleichheit der Menschen – so wird die Gemeinschaft von Christen im Neuen Testament als ein Leib bezeichnet, der jedoch aus verschiedenartigen Gliedern besteht. Männer und Frauen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie und verschiedene Begabungen – alle diese Unterschiede bleiben unter den ersten Christen bestehen, werden aber um eine neue Ebene ergänzt: Es sind alle Kinder Gottes.
Manche Unterschiedlichkeiten – wie Leiden oder Mangel verschiedener Art – sind zeitlich begrenzt und werden in dem Reich Gottes überwunden. Dieses hat begonnen und wird vollendet, wenn Jesus wiederkommt. Trotzdem erkennt die Bibel die Einmaligkeit jedes Individuums und die Unterschiedlichkeit auf dieser Erde an und spricht auch dem Menschen, wenn er glaubt, individuell das ewige Leben zu.
Eine gerechte Welt
Das Ideal einer gerechteren Welt ist also nicht ein Gleichmachen, ein Überwinden von Kategorien wie das der Behinderung per se und eine Autarkie und Unabhängigkeit der Menschen. Vielfalt, Individualität und eine positive Abhängigkeit voneinander sind unbedingt gewollt, weil Gott jeden Menschen einzigartig und als Teil eines größeren Ganzen geschaffen hat. Dennoch sind in Christus alle gleichwertig, was dem „Ein-Gruppen-Denken“ und Abschaffen von Benachteiligungen wiederum entspricht und in Gottes Reich verwirklicht wird.