by Dr. Jonathan Bank
Das bekannte Zitat „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir!“ geht auf ein Zitat von Seneca an seinen Schüler Lucilius zurück. Im Original schrieb er es jedoch genau andersherum: „Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir!“ Nicht nur an der Schule, sondern auch an der Universität haben viele Studierenden den Eindruck, dass sie nur für die Prüfungen lernen. Teilweise muss man nur viele Altklausuren des Dozenten üben, um vor der Prüfung entsprechende Fragen und Antworten zu kennen. Prüfungen sind wichtig, da sie auch eine Selbstkontrolle sind, ob man das gelernte Wissen auch auf Papier bringen kann. Dennoch sind sie meist nicht der Maßstab, ob man das Wissen auch im Leben und späteren Beruf umsetzen kann.
Obwohl man viel und gut allein oder in einer Lerngruppe gelernt hat, ist bei vielen Studierenden kurz vor der Prüfung diese innere Anspannung da: Prüfungsangst! Studien belegen, dass 25 Prozent der Studierenden unter Prüfungsangst leiden. Prüfungsangst ist real und leider werden die meisten sie nie komplett los. Aber man kann sie kontrollieren und lindern. Ich selbst kann aus eigener Erfahrung sprechen. Mein Fahrlehrer prophezeite mir nach meiner Fahrprüfung, dass ich später im Leben nie wichtige Prüfungen bestehen werden würde, wenn ich bereits bei der Fahrprüfung so gestresst und verunsichert sei. Die Aussage war zwar übertrieben, aber er hatte nicht ganz unrecht. Vor jeder Prüfung, dem Abitur und später im Studium hatte ich Angst, entweder mich oder andere zu enttäuschen.
Es hat wohl viel mit falschen Erwartungen zu tun. Erwartungen, die wir an uns selbst haben, oder von denen wir meinen, dass andere Menschen sie an uns stellen. Daher empfiehlt es sich im ersten Schritt, sich seinen eigenen Erwartungen und Ziele bewusst zu werden. Dabei sollte man realistisch sein. Es muss nicht die 1,0 sein. Man muss auch nicht unter den besten zehn Studierenden sein. Auch sollte man die Messlatte nicht zu niedrig setzen („3,8 reicht, Hauptsache bestehen“). Sei ehrlich zu dir selbst und lerne, deine Fähigkeiten gut einzuschätzen. Lass dich im ersten Semester nicht entmutigen, wenn du mit deiner Einschätzung falsch lagst. Mit jeder
Klausur kannst du dich und dein Wissen besser einschätzen.
Eine gute Klausurvorbereitung beginnt bereits in der Vorlesung. Wer dort aufmerksam ist, hat meistens schon mehr als 50 Prozent gelernt. Dozenten geben auch oft Hinweise, was klausurrelevant ist. Inhalte, die du nicht oder nur schwer verstehst, kläre am besten direkt mit deinen Kommilitonen oder mit dem Dozenten. Die meisten Dozenten sind bereit, auf Unklarheiten einzugehen, wenn man sich traut, sie zu fragen. Beim weiteren Lernen sollte man sich die Zeit gut einteilen. Dabei sind Pausen und Schlaf wichtiger als die ein oder andere zusätzliche Lerneinheit, in der man sich kaum noch konzentrieren kann. Auch Sport und andere Hobbies können sehr hilfreich sein, um zwischendurch auf andere Gedanken zu kommen und neue Kraft für weiteres Lernen zu schöpfen.
Der größte Feind beim Lernen kann auch der Perfektionismus sein. Ich selbst wollte beispielsweise immer auf möglichst alle Fragen vorbereitet sein. Und es stimmt: Man braucht verhältnismäßig wenig Zeit, um 90 Prozent zu lernen und verbringt dann viel Zeit, um die letzten 10 Prozent bis zur Perfektion zu erreichen (Paretoeffekt). Jeder sollte sich die Frage stellen, ob das wirklich nötig und weise ist. Es kann auch hilfreich sein, sich nach jedem Tag oder nach jeder Woche bewusst zu machen, was man bereits gelernt hat und nicht daran verzweifeln, was man noch nicht gelernt hat. Auch sollte man sich an bereits errungene Erfolge und erreichte Ziele erinnern. Das stärkt das Selbstbewusstsein und hilft, die eigenen Fähigkeiten wertzuschätzen.
Bei mir kam noch ein niedriges Selbstwertgefühl hinzu, das zu Prüfungsangst geführt hatte. Ich hatte ständig Angst zu versagen und mich und andere (Eltern, Freunde, Professoren usw.) zu enttäuschen. Lange Zeit habe ich geglaubt, ich würde von anderen akzeptiert und wertgeschätzt, wenn ich gute Leistungen bringen würde. Jedoch haben gute Noten nicht dazu geführt, dass ich mich wertvoller gefühlt habe. Das hat sich für mich erst verändert, nachdem ich mein Leben Jesus Christus anvertraut habe. Von ihm habe ich so viel Wertschätzung und eine neue Identität bekommen, ohne etwas zu leisten. Als ich das verstanden hatte, was Gott aus Liebe für mich getan hat und was ich ihm bedeute, bin ich auch Schritt für Schritt von meiner Prüfungsangst frei geworden. Je mehr ich meine Gedanken über mich und meine Mitmenschen Gott überließ, in dem ich in der Bibel las, wie Gott über uns Menschen denkt, desto freier wurde ich. Ich wusste, dass ich in den Augen Gottes wertvoll war und eine Zukunft habe, auch wenn eine Prüfung mal nicht so gut war, etwa weil ich einen schlechten Tag hatte oder nicht genug gelernt hatte. Mir gab es auch Sicherheit, wenn ich vor den Prüfungen allein oder mit anderen Christen zu Gott beten konnte und wusste, dass er mich nie allein lässt.
Dieser Tipp kommt von Herzen und ist besser als jeder Ratschlag über Selbstoptimierung oder gegen Prüfungsangst. Ich wünsche dir, dass du im Studium auch diese Erfahrung machst und erkennst, wie wertvoll du in Gottes Augen bist und lernst, wie Gott über dich denkt und was er für dich getan hat. Was Jesus damals sagte, stimmt auch noch heute: „Kommt alle her zu mir, die ihr geplagt und mit Lasten beschwert seid! Bei mir erholt ihr euch. Unterstellt euch mir und lernt von mir! Denn ich bin freundlich und von Herzen zum Dienen bereit. Dann kommt Ruhe in euer Leben“
(Die Bibel. Matthäus 11,28+29).